Forster Linde

Grenzstation Köpfchen

Aachen, ehemalige Grenzstation Köpfchen; 18.07., 10 Uhr. Herr Gleißner begrüßt mich mit einem herzlichen „Ich bin Peter”. Er will mir die Kopfbuchen entlang dem Landgraben und auch zwei dreihundertjährige Eichen zeigen, auf dem Weg zu der 700-jährigen „Forster Linde”. Zuerst allerdings stoßen wir auf Relikte des Westwalls des „Tausendjährigen Reichs”. Rasch erreichen wir den alten Grenzweg, der im fünfzehnten Jahrhundert dicht mit Buchen bepflanzt wurde. Über Jahrhunderte wurden diese Buchen regelmäßig zurückgeschnitten, wodurch die immer wieder nachwachsenden Stockausschläge sich zu einer dichten Grenzbefestigung verwuchsen. Etwa Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde diese Kultur aufgegeben – und die Buchen wuchsen weiter. Längst haben sie einen Stammdurchmesser erreicht, ab welchem sie nicht mehr auf den Stock gesetzt werden können, will man sie nicht fällen.
An kaum erkennbarer Stelle verlässt Peter den Weg, ich folge ihm durchs Dickicht in den Wald. Und da stehen sie, mit mächtigem Stamm, aber mit nur lichter Krone. Peter erklärt mir: „In einem gewissen Alter bekommen die Eichen eine Krise. Dann werfen sie einen großen Teil ihrer Krone ab und treiben dafür neue Seitenäste aus. Hundert Jahre später geht es ihnen dann wieder gut.” Viele alte abgefallene Äste und auch junge Seitentriebe kann man erkennen. Allerdings werde ich in hundert Jahren nicht noch einmal vorbeikommen. Peter führt mich noch durch ein nahes Waldstück, in dem eine naturnahe Methode der Waldverjüngung erprobt wird. Die jungen Buchen stehen derart dicht, dass ein Vorankommen schier unmöglich ist. Es leuchtet mir sofort ein, warum die Römer angeblich die tiefen germanischen Wälder verflucht haben sollen.
Schließlich erreichen wir im Aachener Stadtteil Forst die alte Linde. Eingefasst von einem schmiedeeisernen, wehrhaften Zaun steht hier dieser Baum mit seinen unzähligen Gesichtern. Wie alt er ist, lässt sich nicht genau bestimmen. Peter schätzt ihn auf ungefähr 700 Jahre. Der Gartenkünstler Pückler-Muskau, der die Forster Linde 1852 besuchte, schätzte deren Alter damals bereits auf mehr als 800 Jahre. Nach seiner Schätzung wäre die Linde nun annähernd tausend Jahre alt. Was sind dreihundert Jahre für eine Linde – für ein lebendes Wesen? Was ist Zeit? Und wie oft wohl die Währung gewechselt hat, seit die Linde hier steht, sind so Gedanken, die mir in den Sinn kommen. Von den tausenden Blüten der Forster Linde lege ich mir ein paar als Souvenir in mein Notizbüchlein. So unscheinbar war auch dieser Baum an seinem Anfang. Er ist ein idealer Startpunkt für diese Wanderung entlang dem Denkweg.
Ich bedanke mich bei Peter und der Linde für die heutige Begegnung, verabschiede mich bei beiden und mache mich auf in Richtung Stadtzentrum.

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