Zum Hintergrund
Das Wandern wie auch das Pilgern erfreut sich großer Beliebtheit. Die Untersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern 2010 kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland jährlich insgesamt annähernd 390 Millionen Wanderungen zurückgelegt werden. Und die Wanderstudie 2014 berichtet, dass jeder dritte Bundesbürger gelegentlich oder regelmäßig wandert. Ein Prozent der Wandernden geben als Motivation religiöse oder spirituelle Gründe an. Jeder zehnte möchte während des Wanderns über sich selbst nachdenken und zu sich selbst finden. Jeder fünfte möchte etwas Neues entdecken oder neue Eindrücke gewinnen. Jeder dritte möchten beim Wandern den Kopf frei bekommen und 75% geben als Vorliebe an, Natur erleben zu wollen.
Das Pilgern hat in den letzten beiden Jahrzehnten eine erstaunliche Popularität in Europa erlangt, insbesondere auf dem Camino Francés, dem letzten Abschnitt des Jakobsweges nach Santiago de Compostela. Waren es 1990 noch knapp 5000 Pilger, so erreichten 2014 dann mehr als 237.000 das Pilgerbüro in Santiago und ließen sich ihre Pilgerurkunde ausstellen. In sogenannten „heiligen Jahren“ kommen noch deutlich mehr Pilger, im letzten heiligen Jahr 2010 sogar 272.000. Doch bei weitem nicht alle, sondern lediglich etwa 40% der im Pilgerbüro Ankommenden (ohne die heiligen Jahre) geben an, den Camino Francés allein aus religiöser Motivation zu absolvieren. Viele Jakobs-Pilger kommen aus Deutschland; In den letzten sieben Jahren waren es stets über 30.000. Nicht mitgezählt sind hierbei jene, die auf einem anderen Abschnitt des Jakobsweges oder auf anderen Pilgerwegen unterwegs sind. Bemerkenswert ist auch die „Aachener Heiligtumsfahrt“, eine alle sieben Jahre stattfindende Pilgerwallfahrt, zu welcher im Jahr 2014 etwa 125.000 Gläubige zum Aachener Dom kamen.
Die Idee
Der Denkweg formuliert die Idee zu einem neuen Fernwanderweg. Im Sinne eines um-weltlichen oder atheistischen Pilgerweges beschreibt dieser einen Querschnitt durch das Land. Dessen zentrales Thema ist der ökologische Fußabdruck und die Frage, wie sich dieser abbildet, im Diesseits, in der Landschaft, in den Dörfern, in den Städten. Im Kern verknüpft der Denkweg also faszinierende Wander- und Landschaftserlebnisse mit der Auseinandersetzung um Lebensstile und den daraus resultierenden Effekten – wodurch sich noch einmal ein neuer Zugang eröffnet zu den Bemühungen um eine nachhaltigere Lebenspraxis. Denn lange schon ist bekannt, dass allein die Verbreitung von (Umwelt)Wissen nicht ausreichend wirkt, um Veränderungen im Alltag auch konkret auszulösen. Viel wissen wir darüber, was „man tun müsste“, jedoch verharren wir all zu sehr im bisherigen Handeln. Damit eine Veränderung tatsächlich in Gang kommt, muss mehreres zusammen wirken:
• Zunächst ein deutlich empfundenes Unbehagen und eine verstandene Unzufriedenheit bezüglich der bestehenden Situation,
• ergänzt durch eine positive Vorstellung für eine mögliche Alternative,
• dem dann konkrete erste Schritte eines anderen Tuns folgen müssen.
Diese drei Faktoren kommen entlang des Denkweges gleichzeitig zusammen, zur Deckung. So finden sich entlang der Route nicht nur bezaubernde Landschaftsszenen, sondern auch sogenannte „Orte der Erkenntnis“, welche gerade im erlebten Kontrast die Unzufriedenheit mit der bestehenden Ordnung verstärken. An den „Aussichtspunkten in die Zukunft“ zeigen praktische, gelebte Beispiele hingegen, wie es auch anders sein könnte. Und der notwendige erste Schritt wird mit dem zurück gelegten Weg bereits vollzogen: Im Sinne einer Passage verstärkt das mehrtägige Gehen die persönliche Motivation, das eigene Leben anschließend konsequenter auf eine nachhaltige Lebensweise auszurichten. Die unmittelbaren und sinnlichen Beobachtung, die beim Wandern erfahren werden, ergänzt durch die parallel stattfindende, geistige Beschäftigung und Reflexion, führt zu einer tiefer „eingesickerten“ Motivation, als dies vergleichsweise allein über Literatur und elektronische Medien (nicht) erzielt wird. „Nie zuvor war es wichtiger, die Fähigkeit der persönlichen unmittelbaren Beobachtung zu trainieren und sie als den ersten und ultimativen Zugang zum Verständnis der Welt zu begreifen.“ (Crady Clay)
Wandern oder Pilgern? Warum ein atheistischer Pilgerweg? Warum ein Denkweg?
Zwischen dem Impuls zur Gestaltung des Denkweges und den religiösen Pilgerwegen finden sich einige Überschneidungen, so etwa die Sorge um die Bewahrung der „Schöpfung“ – wie immer die Welt und das Leben entstanden sein mag. Jedoch eine speziell religiöse Lebensform zum Ausdruck zu bringen ist nicht die Motivation dieses Weges: Er ist ein weltlicher, ein umweltlicher oder auch atheistischer Weg. Er führt jedoch keine Auseinandersetzung bezüglich Atheismus versus Religionen.
Der Denkweg möchte dazu einladen, offen auf den Zustand der diesseitigen Lebenswelt zu fokussieren und möglichst zu reflektieren, wie es durch Menschenhand zu dem jetzigen Zustand kam und kommen konnte. Der aufmerksame, auf den eigenen Beinen durch die Landschaft und die Umwelt wandelnde Blick führt in Kombination mit dem Wissen um der globalen Zusammenhänge beinahe zwangsläufig zur persönlichen Auseinandersetzung mit Lebensstilfragen. Wer in dieser Bewegung und Verfasstheit über eine „Ethik des Genug“ und eine Vorstellung vom „guten, enkeltauglichen Leben“ nachdenkt, kommt auch ohne Religion aus. Ebenso sind Gurus oder Räucherstäbchen hierbei nicht nötig. Das Gehen über mehrere Tage hinweg und das zugleich darüber nachdenken, warum die Welt so ist, wie sie einem hierbei begegnet, kann selbst als eine spirituelle oder als eine philosophische Praxis aufgefasst werden. Diese hinterfragende Art des Wanderns scheint dazu geeignet, sich in einem gesteigerten Bewusstsein zu üben.
Ein Beispiel: Entlang der Route kann man fast täglich Tiere auf der Weide beobachten, von denen wiederum man selbst beachtet wird. Dieses gegenseitige Bemerken bereitet zunächst einmal Freude, bringt darüber hinaus auch lebhaft in Erinnerung, dass Tiere ebenfalls empfindsame Wesen sind. Diese eigentliche Banalität ist alles andere als ein allgemein präsenter Gedanke in einer Zeit, in welcher die Hälfte der Menschheit in Städten und Metropolen lebt, mit einem Lebensalltag, in dem Tiere vielfach kaum noch physisch vorkommen. Stark verkürzt könnte man pointieren, der moderne Lebensstil reduziert das Wesen Tier zunehmend auf eine praktisch portionierte und abgepackte Fleischsorte. Verheimlicht und tunlichst nicht nachgefragt wird dabei, was für ein Leben jenes Wesen hatte, dessen Fleisch wir verzehren.
Um solcherlei Fragen, Gedanken und Erinnerungen geht es bei diesem Weg. Insbesondere dieses Wechselspiel zwischen eigenem Beobachten und Nach-Denken über das Beobachtete führt das Wandern über das bloße Schauen hinaus. Mit den Worten der Philosophen: Es führt zu einem fragenderen Fragen. Angesichts der Umwelt-Herausforderungen und der Diskrepanz zwischen Umwelt-Wissen und Umwelt-Handeln scheint es an der Zeit, Pilger und Fernwanderer auf einen solchen Weg einzuladen. Die eingangs angeführte Beliebtheit des Wanderns und Pilgerns spricht dafür, einen Versuch zu unternehmen.
Im Wechsel: Schönheit und Schrecken
Der Denkweg führt mit Absicht durch sehr unterschiedliche Landstriche, sehr schöne wie auch weniger schöne – und auch durch solche, die man vielleicht (noch) gar nicht einzuordnen weiß. Im Ergebnis wechseln die Empfindungen entlang des Denkweges häufig zwischen Schönheit und Schrecken. Überwiegen sollen die schönen Wandererlebnisse, wozu die Route immer wieder auch bekannten Fernwanderwegen folgt. Hier kann man zur Ruhe kommen, vom Alltag abschalten, den Kopf frei bekommen, sich leer laufen. Doch es braucht im Wechselspiel hierzu auch die Anregungen und die Nadelstiche durch die Konfrontation mit den Weißen Flecken, den Rückseiten unseres Lebensstils, die ansonsten zumeist ausgeblendet werden.
Orte der Erkenntnis
Wanderwege machen üblicherweise einen großen Bogen darum. Auch die religiösen Pilgerwege thematisieren wenig solche Orte: Braunkohlengruben und Kraftwerke, Abraum- und Salz-Halden, monotone Wälder und ausgeräumte Feldfluren, oder auch einen stillgelegten Atomreaktor. Doch dies sind „Orte der Erkenntnis“: Sie konfrontieren uns mit den sogenannten „Nebenfolgen“ unserer Lebensweise, die wir zumeist ausblenden oder auch vergessen. Sie gelten selten als Sehens-Würdigkeiten, sind aber in jedem Fall herausragende Denk-Würdigkeiten. Die Begegnung mit diesen Orten treibt dazu an, die jetzige Ordnung und Lebensweise kritisch zu überdenken.
Aussichtspunkte in die Zukunft
Wenn wir unseren Lebensstil verändern wollen in Richtung mehr Nachhaltigkeit, brauchen wir hierfür positive, nachahmenswerte Beispiele – Geschichten des Gelingens. Entlang des Denkweges finden sich gelebte Beispiele für eine andere Lebenspraxis. Gesucht wird dabei nicht die eine, große Lösung, die für alle Menschen und an allen Orten gleichermaßen gültig wäre, die alle Probleme zugleich beseitigen könnte – denn so etwas kann es bekanntlich gar nicht geben. Aber es finden sich Orte des Lernens, des Suchens, des praktischen Ausprobierens – Aussichtspunkte in die Zukunft. Wirkliche Sehenswürdigkeiten!
Theorie-Exkurs: Die kritische Landschaft
Die Denkweg-Route möchte einen Querschnitt des Landes beschreiben, der möglichst viele Aspekte und Themen und die zwischen den Orten bestehenden Beziehungen aufzeigt. Hier unterscheidet sich der zu Grunde gelegte Ansatz also beispielsweise von den Premium-Wanderwegen, wie diese von dem Deutschen Wanderinstitut propagiert werden. Denn ein Weg, der einen offenen und kritischen Blick auf den Zustand der Welt öffnen möchte, kann schlechterdings nicht stets einen Bogen machen um „zivilisatorische Barrieren“, wie dies in den Kriterien der Premiumwege gefordert wird. Im Ergebnis, in der Gesamtschau, führt der Denkweg (nicht ganz nebenbei) auch zu einem anderen, einem fortgeschriebenen, zeitgenössischem Landschaftsverständnis: Neben die schönen, die pittoresken und die erhabenen Landschaften – die immer noch zu finden sind – gesellt sich das Bild der kritischen Landschaft. Bei diesem changiert die Wahrnehmung häufig zwischen dem Blick auf Landschaft und dem Blick auf Umwelt. Beides sind Bilder, die erst in unserem Kopf entstehen, sind besondere Blickweisen auf die Welt, sind geprägt von unserem jeweiligen Wissen und kultureller Prägung. Beide Perspektiven sind eng miteinander verflochten – sind aber eben doch verschieden und schließen sich mitunter gegenseitig aus. So ist das Bild der Landschaft im traditionellen Verständnis der Blick des Städters auf das Land der Bauern: Der spazierende Städter hat kein direktes Interesse am Ertrag der Felder. Sein Blick auf die Landschaft ist ein ästhetischer. Dabei existiert Landschaft nicht an sich, sondern ist ein Konstrukt unserer Wahrnehmung; woraus folgt, „dass die Landschaft nicht in den Erscheinungen der Umwelt zu suchen ist, sondern in den Köpfen der Betrachter“. (Lucius Burckhardt: Warum ist Landschaft schön?)
Anders unser Blick auf Umwelt: Sobald wir einen Landstrich, die Luft, das Grundwasser oder ein Gewässer als geschädigte oder gefährdete Umwelt wahrnehmen, können wir schlechterdings nicht interesselos sein – dies betrifft unsere Lebensgrundlage, von der wir ganz direkt abhängen. Und: Die Umweltrisiken, beispielsweise vergrabene Altlasten, verrostende Atommüllfässer oder durch Tsunami gefährdete Atomkraftwerke, sie existieren tatsächlich und unabhängig davon, ob wir die Risiken wahrnehmen oder vergessen oder verleugnen. (Ulrich Beck: Risikogesellschaft) Kann man also eine Gegend, die Anzeichen zerstörter oder bedrohter Umwelt zeigt, zugleich auch als eine schöne oder erhabene Landschaft betrachten? Oder schließt sich das gegenseitig aus? Was zum Beispiel sehen wir in der Weite eines Braunkohlentagebaues: Ist dies der besorgte Blick auf zerstörte Umwelt oder der ästhetische Blick auf die Landschaft Wüste (die wir, da mitten in Deutschland, vielleicht noch nicht zu lesen gelernt haben)? Oder das Beispiel der kilometerweiten Ackerflächen: Schauen wir auf eine durch die Agrarwirtschaft ausgeräumte, artenarme und mit Pestiziden besprühte Lebensgrundlage oder sehen wir eine ästhetische Landschaft, gekennzeichnet durch klare Linien und starke Flächenkompositionen? Wo steht man auf dem Gipfel einer 250 Meter hohen Salzhalde – in der Landschaft oder in der Umwelt?
Wenn wir auch solche Areale als Landschaften betrachten wollen, so braucht es hierfür eine Sichtweise, die einen solchen Zwiespalt zwischen ästhetischem Erleben und akuter Sorge ob der Lebensgrundlage zulässt und austariert – wofür an dieser Stelle die Begrifflichkeit vorgeschlagen wird „Die kritische Landschaft“. Der französische Landschaftsarchitekt Bernhard Lassus erklärte deren Prinzip in Zusammenhang mit seiner Strategie des „minimalen Eingriffs“ (1982): „Um eine Landschaft entstehen zu lassen, ist es nicht immer notwendig, in ihr Relief – wie sanft auch immer – einzugreifen, einige Bäume zu pflanzen, ein paar andere vielleicht zu fällen oder einen Fluss zu verbreitern. Darstellen, hörbar machen, beschreiben, nahebringen: das bedeutet, andere Lesarten der Umgebung vorzuschlagen, ohne dass wir direkt in den konkreten Raum eingreifen müssten. Diese Bemühung, zu fühlen, zu begreifen, welchen Einfluss wir auf die Strukturen um uns herum und auf deren Verbindungen haben, zielt gleichwohl nicht darauf ab, jedwedes Vorhandene zu akzeptieren und diese oder jene Gestaltung zu rechtfertigen. Umgekehrt kann ein minimaler Schritt bewirken, dass die Landschaftskritik Eingang findet in das Sichtbare, und zwar durch das Sichtbare oder jene andere einfühlsame Annäherung. Folglich kann der minimale Eingriff auch zur kritischen Landschaft führen.“ Der Denkweg beabsichtigt genau dies. Durch die einfühlsame, intensive Annäherung bewirkt der Wanderer / Pilger einen minimalen, nicht-physischen Eingriff, einen anderen Blick, wodurch für ihn die kritische Landschaft erkennbar wird. Diese hat nicht mehr viel gemein mit der Sehnsucht nach der idyllischen, heimatlichen Landschaft, einer Sehnsucht, die gestimmt war von einem Denken „Wir sind die letzte Generation, welche die Landschaft noch in ihrem jetzigen, intakten Zustand betrachten können“. Das ist lange schon vorbei (und war zudem ein Irrtum)! „Wir müssen in Zukunft auch die Vorstellung von Landschaft von Grund auf ändern […] Wir müssen erfinderisch werden, weil die ursprüngliche Landschaft beschädigt ist. Es ist aber vollkommen falsch, die Natur im Sinne von Renaturierung wiederherstellen zu wollen. Das kann man nicht!“ (B. Lassus) Dieser Einsicht folgend beruht das Verständnis der kritischen Landschaft auf einer anderen Sichtweise – dem umwelt-interessierten Blick. Dieser ist gestimmt von einem anderen Denken: „Wir sind diejenige Generation, welche die Unzulänglichkeiten in der Umwelt erkennen, benennen und auch gegen diese vorgehen muss.“ Dies impliziert eine geistig aktivierende, interessierte Landschaftserfahrung – was zu einem Wandern führt, das die Aufmerksamkeit wach hält für eine offene, fragende Betrachtung: „Wie ist es?“, „Wie ist heute die Situation?“, „Welche Veränderungen zeichnen sich ab in der Landschaft und welche Interessen stehen da dahinter?“ Oder auch ein Wandern um nicht zu vergessen, dass da noch „alte Lasten herumliegen“, die wir aus eigenem Interesse nicht einfach sich selbst überlassen können und die wir schon gar nicht wiederholen sollten. Die Gestaltung von Wanderwegen erhält somit eine politische Komponente. Aus dieser Haltung heraus ist es dann nur folgerichtig, Wanderwege – in kunstvollen Dosierungen – auch über Müllhalden, entlang von Tagebauen oder vorbei an Autobahnkreuzen und Mastanlagen zu führen.
Und eine „Erlebnisgarantie“ kann auch hier versprochen werden: Der Kontrast und mehrfache Wechsel zwischen Schönheit und Schrecken schützt vor einer weiteren Banalisierung und Verkitschung der Landschaft. Eine so verstandene Wanderwegegestaltung will ausscheren aus den die Umwelt-Amnesie fördernden Tourismuszirkeln, die Besucherwerbung und möglichst umsatzstarke „Outdoor-Arrangements“ als oberstes Ziel begreifen.
Die Haltung zur kritischen Landschaft wird auch deutlich in Bezug auf die in der Landschaft sichtbar verbleibenden „Reste“ ehemaliger Umwelt-Störungen, wie beispielsweise Kraftwerksruinen, ehemalige Militärkasernen oder aufgegebene Autobahnen. Die jeweiligen Bauwerke alle gänzlich spurlos rückzubauen und die betreffenden Flächen alle zu renaturieren wäre schlicht unmöglich – und wäre aus der Perspektive der Landschaftstheorie auch falsch. Denn in dem Moment, wo es gelingt, eine Umwelt-Verschmutzung und Beeinträchtigung zu stoppen, werden deren sichtbar verbleibenden Reste zu positiven Zeichen in der Landschaft, soweit von diesen keine weitere Verschmutzung oder Gefahr mehr ausgeht. Sie erklären dann die kritische Landschaft und erzählen davon: Hier wurde eine Umweltbeeinträchtigung gestoppt, wurde für einen Flecken dieser Erde die Entwicklung gewandelt wieder hin zu einer besseren Situation. Kann es ein schöneres Bild geben in unserer Zeit?
Anmerkungen
Um Missverständnissen vorzubeugen, seien noch zwei Anmerkungen ergänzt, die sich eigentlich erübrigen:
Erstens: Der Denkweg ist eine Einladung an alle Menschen, egal ob nun religiös oder atheistisch ausgerichtet. Schon gar nicht verbindet sich mit diesem Weg eine Mission, die sich gegen Religiosität richten würde.
Zweitens: Der Denkweg ist nicht deutsch. Zwar führt die Route von der einen zur gegenüber liegenden Grenze durch das Staatsgebiet der BRD – das Wandern ist aber KEINE speziell deutsche oder gar „germanische“ Angelegenheit, wie dies in manchen völkischen Schriften behauptet oder von schrägen, wandernden Vögel geträllert wurde. Menschen, die so denken, sind auf diesen Weg nicht eingeladen.
Stand der Dinge
Die Idee zu diesem Denkweg wurde 2014 erstmals formuliert. In 2015 wurde die Route entworfen und erstmals durchgehend begangen. Die Berichte von dieser Wanderung und die Route sind auf dieser Website denkweg.net dokumentiert. Perspektivisch soll der Denkweg als ein neuer Fernwander- und atheistischer Pilgerweg etabliert werden. Über die weitere Entwicklung wird ebenfalls auf dieser Website sowie auf der Facebookseite /denkweg berichtet.
Verfasser: Bertram Weisshaar, Oktober 2015. Letzte Änderung 20.11.15
Quellen:
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hg.): Forschungsbericht Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. 2010, S. 28
Franzen, Brigitte / Krebs, Stefanie: Landschaftstheorie. Texte der Cultural Landscape Studies. Köln 2005, S. 199
Specht, Judith: Fernwandern und Pilgern in Europa. Über die Renaissance der Reise zu Fuß. Profil Verlag. Eichstätter Tourismuswissenschaftliche Beiträge. 2009
Quack, Prof. Dr. Heinz-Dieter und andere: Studie Der deutsche Wandermarkt 2014
Koenecke, A./ Weilacher, U./ Wolschke-Bulmahn, J.: Die Kunst, Landschaft neu zu erfinden: Werk und Wirken von Bernard Lassus. München 2010, S. 215 + S. 125
Pilgerbüro Santiago de Compostela; peregrinossantiago.es, 26.10.2015