Mehr und mehr wandere ich durch solcherart Landstriche, die oftmals als „Agrar-Wüste“ bezeichnet werden. Nur ein Beispiel: Drei Kilometer lang gehe ich entlang einem asphaltierten Landwirtschaftsweg, schnurgeradeaus. Die eine Seite unterteilt sich in zwei, die andere Seite in drei Ackerflächen. Ein einziger, spärlicher Gehölzstreifen blieb hier als Saum zwischen zwei Ackerflächen übrig. Ist das noch Landschaft? „Agrar-Wüste“ ist ein durchaus zutreffendes Bild. Diese Dimensionen mit seinen eigenen Schritten zu ermessen, ist ein eindrückliches „Erlebnis“: Dreißig bis fünfzig Minuten dauert nicht selten das Abschreiten eines solchen Ackers. Währenddessen finden sich kaum noch ein paar Acker(un)kräuter. Dennoch mag ich den Ausdruck „Agrar-Wüste“ nicht. Denn er wird meist dann angeführt, wenn es darum geht, eine fragwürdige Inanspruchnahme von wertvollem Ackerland zu rechtfertigen, zum Beispiel für Golfplätze, neue Straßen oder neue Gewerbegebiete. Mehr Beton oder mehr Asphalt führen allerdings nicht zu einer ökologischeren Landwirtschaft, sehr wohl aber zu einem weiteren Verlust landwirtschaftlich nutzbarer Flächen. Zudem trifft es ja auch nicht zu, dass auf diesen „Agrar-Wüsten“ nichts wachsen würde. Ganz im Gegenteil! Diese Lebensmittel-Anbauflächen sind hocheffizient. Diese industrialisierte Landwirtschaft beschert nicht nur uns Verbrauchern niedrige Lebensmittelkosten, sondern sie beeinflusst durch Überproduktion und Export auch die Preise auf dem Weltmarkt und darüber letztlich auch die Wettbewerbsfähigkeit der (traditionellen) Bauern auch auf anderen Kontinenten. Das Wandern entlang von Landwirtschaftswegen führt also mitten hinein in die Diskussionen über die hochtechnisierte Landwirtschaft und um deren globale Verflechtungen. Diese Auseinandersetzungen werden mitunter sehr kontrovers und leidenschaftlich geführt. Die komplexen Zusammenhänge sind dabei nicht einfach zu verstehen – insbesondere für Landwirtschafts-Laien. Wenn aber heute nur noch (etwa) ein Prozent aller Erwerbstätigen direkt in der Landwirtschaft tätig sind, muss die öffentliche Diskussion notwendig so geführt werden, dass sie eben auch für Laien nachvollziehbar wird. Vor diesem Hintergrund empfinde ich es bei meiner Wanderung schon einmal als hilfreich, mittels eigener Anschauung einen direkten Eindruck zu erhalten: Ästhetisch sind solche Areale sehr eintönig, als Landschaft also langweilig. Und wer jemals etwas über den Erhalt der biologischen Vielfalt gelesen hat, erkennt in diesen Flächen in Bezug auf die Umwelt eindeutig ein Negativbeispiel. Zugleich sind aber entlang des mehrtägigen Weges verschiedene Ausprägungen von Landwirtschaft konkret zu sehen und zu vergleichen. Dies entkräftet grundsätzlich solcherlei Argumentationsketten, die die jeweils eigene Position mit angeblich nicht abzuändernden oder nicht zu umgehenden Zwängen erklären: Alternativen müssen prinzipiell denkbar sein, denn verschiedene Ausrichtungen der Landwirtschaft existieren ja bereits jetzt sichtbar nebeneinander. Dies zu beobachten, steigert mein Interesse an der Landwirtschaft. Ich will unbedingt mehr wissen, muss hinzulernen. Warum bloß könnte ich beispielsweise jetzt mehrere Automarken oder Computerprogramme frei aufzählen – jedoch die unterschiedlichen Kuh- oder Schafrassen auf den Weiden kann ich nicht benennen. Ob man die Unterschiede auch schmecken kann? Es gibt so viel zu entdecken.