Einfach: Gehen
Unser Leben ist viel schwerer als das unserer Vorfahren, weil wir uns so viele Dinge anschaffen müssen, die uns das Leben erleichtern. (Julius Cäsar; 100 – 44 v. Chr.)
Gehen geht noch heute so einfach wie zu Anbeginn der Menschheit: Aufstehen und dann einen Schritt nach dem andern tun. Siehe da, schon geht man. Von Tag zu Tag ein Stück weiter. Von Woche zu Woche gelingt es leichter. Ganz aus Dir selbst heraus vergrößerst Du deinen Möglichkeitsraum. Und je weniger Zeug Du mitnimmst, um so einfacher geht es. Damit ist das Weit-Wandern hochaktuell für unsere Zeit: Je weniger wir benötigen, umso freier können wir aus den sich anbietenden Wegen wählen, umso beweglicher sind wir, beim Wandern, als auch im Denken. Und auch wenn Du nach Ende der Wanderung wieder in deine gewohnte Komfort-Zone zurückkehrst – diese Erfahrung wird Dir bleiben. Sie lässt Dich achtsam werden gegenüber den Verlockungen der Konsumwelt. Und eben dies ist ein Weg zu einer Freiheit, die Dir niemand nehmen kann: „Minimierung der Ansprüche ist Optimierung der Freiheit. Reduktion ist Gewinn.“ (Otl Aicher; 1922 - 91) Im Gehen wird dies unmittelbar einsichtig – schon die alten griechischen Denker philosophierten im Gehen: „Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf.“ (Sokrates; um 469 v. Chr. – 399 v. Chr.)
gehen um zu verstehen
Schönheit & Schrecken
Mehrfach folgt der Denkweg bekannten Fernwanderwegen, durch Wälder, kleinteilige Kulturlandschaften und auch durch zwei Nationalparks. Hier kannst Du mit der Natur in Resonanz treten: Wie jedes andere lebende Wesen bist auch Du verbunden mit dem großen lebendigen Ganzen. An jedem Tag der Wanderung kannst Du dies als Schönheit erspüren.
Doch diese Abschnitte bedeuten nur einen sehr schmalen Ausschnitt unserer gewordenen Welt. Hier triffst Du nicht auf jene Fragen, die dir auf den Fersen sind: Wie leben wir heute und was richten wir dabei auf dieser Erde so an? Um hierzu das Denken in Gang zu bringen, führt der Denkweg zu den „Weißen Flecken“ unserer Kultur, zu den Rückseiten unseres Lebensstils, die zumeist ausgeblendet werden: Abraum- und Salz-Halden, Braunkohlegruben, Deponien, monotone Wälder und intensiv genutzte Fluren oder auch einen stillgelegten Atommeiler. Dies sind „Orte der Erkenntnis“ – sie konfrontieren mit den sogenannten „Nebenfolgen“ unseres Lebensstils.
Der Denkweg zeigt einen Wechsel von Schönheit & Schrecken: Beides existiert gleichzeitig und mitunter dicht nebeneinander. Diese Erfahrung kann tief berühren – und insbesondere motivieren, andere Wege zu suchen.
Wenn wir zu einem nachhaltigen Lebensstil finden wollen, brauchen wir hierfür positive, nachahmbare Beispiele – Geschichten des Gelingens. Entlang des Denkweges finden sich gelebte Beispiele für eine andere Lebenspraxis. Dies sind Orte des Lernens, des praktischen Ausprobierens – Aussichtspunkte in die Zukunft. Wirkliche Sehenswürdigkeiten!
Hoher Meißner: Gegen geistige Enge
17.08. Als ich auf dem Berg ankomme, ist von diesem nichts zu sehen: Der Hohe Meißner liegt in dichtem Nebel. Sehr leicht könnte ich mich in dieser Situation verirren. So sind mir die zahlreichen und in kurzen Abständen aufgestellten Wegweiser wirklich eine wichtige Hilfe. Bei normalen Bedingungen fände ich diese sicherlich überdimensioniert oder gar überflüssig. Man könnte diese Erfahrung passend…
Kassel: Perspektiven
13.08. Über das Hohe Gras erreiche ich den Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe am Rande von Kassel. Von hier oben folgt der Blick eines jeden Besuchers unwillkürlich der kilometerlangen Blickachse hinunter in die Stadt. Seit bereits etwa dreihundert Jahren prägt diese gebaute Inszenierung die Blicke. Und egal an welcher Stelle man auf diese Achse trifft, ob nun im Park oder in…
Wolfhagen hundertprozentig
12.08. Einige Mitwirkende der Initiative Wolfhagener Land gegen Suedlink erwarten mich bei der Weidelsburg nahe Wolfhagen. Liebevoll haben sie neben einem Wanderparkplatz ein Picknick für mich bereitet. Wir reden über das Wandern und Pilgern und die Erfahrungen, die man dabei so machen kann. Etwas später kommt noch Dekan Gerlach zu der Runde hinzu. Er weiß zu erzählen von einem Protestpilgerweg…
Urwald-Steig
10. + 11.08. In Deutschland gibt es inzwischen sechzehn Nationalparks. Einer davon ist der Nationalpark Kellerwald-Edersee. (Der wiederum ist eingebettet in den größeren Naturpark Kellerwald-Edersee.) Ein Motto haben alle Nationalparks gemeinsam: „Die Natur Natur sein lassen.“ So werden beispielsweise die Wälder in den Nationalparks nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt. Sie sollen sich entwickeln können zu „Urwäldern von morgen”. Der um…
Siegen. Von hinten.
3.08.; Ankunft in Siegen. Annähernd 30 Kilometer wandere ich heute, durch kleine Dörfer und Weiler, über kleine Straßen, Wald- und Landwirtschaftswege. Auch ganz schmale Pfade sind darunter. Einmal muss ich einige Meter wieder zurück, weil ich den auf der Karte eingezeichneten Weg zuerst gar nicht erkennen konnte, so schmal und unscheinbar ist der Pfad. Diese Welt gibt es also auch noch.…
Kasimir : Wie leben wir
Köln, 29.07.. Kasimir ist jetzt gerade einmal zwei Jahre alt, doch schon sind drei „Geschwister” zu der Kölner Lastenfahrrad-Familie hinzu gekommen. Die vier haben zwar unterschiedliche „Eltern“, doch eines haben sie gemeinsam: Diese Lastenräder können kostenlos genutzt werden. Warum das so ist und wie das funktioniert, erzählt mir Thorsten Merl von der Initiative Wie leben wir im Campus Garten. Zuerst zeigt er…
ChemieParks & Raffinerien
Am 28.07. wandere ich von Dormagen aus nach Köln und am 30.7. gehe ich weiter nach Süden bis Wesseling. Bis ich dort die kleine Personenfähre über den Rhein erreiche, komme ich vorbei an mehreren „ChemieParks”, Raffinerien und Öllagern. Köln ist damit umzingelt. Häufig sind die Anlagen hinter Grünstreifen versteckt. Gelegentlich führt auch eine öffentliche Straße oder Bahnlinie mitten hindurch (Chempark…
Raketenstation & Insel Hombroich
Am 25.07. erreichen wir die Insel Hombroich. Dies ist ein von Karl-Heinrich Müller (1936 – 2007) gegründetes Ensemble aus Landschaft, Architektur und Kunst. Vorgefunden hat er einen von Ausläufern der Erft umfassten, verwilderten Park mit historischem Baum- und Pflanzenbestand. Der Gartenarchitekt Bernhard Korte gestaltete mittels pflegender Eingriffe eine außergewöhnliche Park- und Auenlandschaft, die angereichert wird durch „begehbare Skulpturen” (entworfen von…
Ein Tag & vier Kraftwerke
23.07., 8:46 Uhr. Wir starten in Elsdorf. Diese Tagesetappe führt über etwa 24 Kilometer entlang einem „Panorama” aus vier Großkraftwerken: Niederaußen, Niederrath, Niederrath BOA und Frimmersdorf. Den ganzen Tag entlang sind sie präsent, bestimmen sie die Ausblicke. Schon die Tage zuvor, vom Indemann und vom Noppenberg aus, markierten sie den Horizont und die Orientierung. Und es scheint, als würden diese Kraftwerke…
Sophienhöhe
22.07., 8:30 Uhr. Wir starten in Jülich und erreichen gegen 10 Uhr den Fuß der Sophienhöhe. Von weitem sieht dieser Berg aus, als wäre er ein ganz normaler; ist er aber nicht. Er wurde künstlich aufgeschüttet, 200 Meter hoch. 1978 wurde damit begonnen, Abraum aus dem Braunkohletagebau Hambach hier aufzuschütten – und dieses Schütten dauert immer noch an. Schon bald wurde…