Raketenstation & Insel Hombroich

Kontrollturm

Am 25.07. erreichen wir die Insel Hombroich. Dies ist ein von Karl-Heinrich Müller (1936 – 2007) gegründetes Ensemble aus Landschaft, Architektur und Kunst. Vorgefunden hat er einen von Ausläufern der Erft umfassten, verwilderten Park mit historischem Baum- und Pflanzenbestand. Der Gartenarchitekt Bernhard Korte gestaltete mittels pflegender Eingriffe eine außergewöhnliche Park- und Auenlandschaft, die angereichert wird durch „begehbare Skulpturen” (entworfen von Erwin Heerich), offene Architekturen, in denen die Kunstsammlung des Stifters ausgestellt ist. Und das Projekt wächst. 1994 erwarb Müller auch die nahe gelegene, ehemalige Raketenstation, die damals seit vier Jahren aufgegeben war. Heute ist auch dieser einstige Ort des Kalten Krieges ein Teil des „Kulturraums Hombroich”.

Geografisch liegt dieser Ort leider nicht so recht auf der Strecke Aachen-Zittau, doch thematisch liegt er „voll auf dieser Linie”. Der Umweg muss sein. Von Grevenbroich aus folgen wir dem Lauf der Erft und gelangen so zur Insel. Halb überrascht, halb wissend, geraten wir durch Zufall irgendwie von hinten in die Parklandschaft. Dies ist eindeutig die bessere Art, sich diesem Gebiet zu nähern (vermutlich so aber nicht erwünscht). Hätte dieses Feld keine Grenze, würde man also einfach nur so hineinstolpern, wie man hie und da vielleicht auf eine Trinkhalle stößt, es wäre noch überzeugender. Doch auch hier ereignet sich die Kunst eben nicht in einem idealen Nirgendwo, sondern in einem konkreten Umfeld, versehen mit Öffnungszeiten, Eintrittsgeldern, Sturmwarnung und Zäunen. Es bleibt dennoch ein reicher Überfluss an Wirkung.

Hier bestimmt die Kunst derart den Mittelpunkt des Strebens, vergleichbar wie an den wichtigsten Heiligtumsstätten die jeweilige Religion im Zentrum steht. Daraus bezieht dieses Areal seine Kraft. Diese nicht zu verspüren ist schlicht unmöglich, es sei denn, man wäre als empfindendes Wesen bereits vollständig abgestorben. Dieses Streben nun heute auf dem Areal einer vormaligen Raketenstation anzutreffen, ist etwas, was man als Zukunftsvorstellung vor vierzig Jahren noch der Aussicht auf ein Wunder gleichgestellt hätte. Damals, als man gegen die Aufrüstung, gegen die Pershings und den Overkill demonstrierte. Doch nun ist es da. Und man kann darin als Wanderer sogar übernachten, im „Kloster”. Von dessen Speiseraum blickt man durch eine Fensterwand hindurch in den Innenhof der als geschlossenes Atrium gestalteten Architektur. Eine einzelne Eiche füllt diesen Raum. Vielleicht dreißig oder vierzig Jahre alt mag sie sein, gegenwärtig also etwa doppelt so alt wie das Gebäude selbst – doch immer noch 250 Jahre jünger als die beiden Eichen, die mir Peter nahe der belgisch-deutschen Grenze gezeigt hatte.

Einige Meter nebenan befindet sich der ebenfalls ringsum durch Mauern gefasste „Klostergarten”. Dieser wird gepflegt von freiwilligen Helfern, die aus der näheren Umgebung, aber auch aus Köln, Düsseldorf, Neuss, sogar aus Münster kommen. Die Idee Kulturlandschaft Hombroich bringt Menschen zusammen, an diesem Ort, der vor einer halben Generation noch eine denkbar gegenteilige Bestimmung hatte. Die Kulturlandschaft Hombroich wurde zwar etwas abgelegen der urbanen Zentren, aber nicht in der Leere gegründet. Die Idee fiel auf ein vorgrundiertes Stückchen Erde, an welcher die Idee keimen konnte. Dabei ist es allerdings kein Ort für alle, keine Idee, die die ganze Gesellschaft einbezieht und mitdenkt. Er ist ein Labor und Rückzugsort für jene Gruppe von Menschen, die für die hier vorherrschenden Spektralfarben besonders empfänglich sind. Während dem einen ganzen Tag und den zwei Nächten, die ich hier verbringe, beschleicht mich einmal der Verdacht, ein paar wohl dosierte Störungen und Herausforderungen könnten dem Ort durchaus gut tun, damit er sich nicht in ein Abseits spielt. Wer weiß? Auf jeden Fall ist es ein außergewöhnlich inspirierender Ort, von dessen Art wir sehr viele mehr gebrauchen könnten.

www.inselhombroich.de

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